Burton hat drei Klöten

1998 hatte ich ein Schlüsselerlebnis. In diesem Jahr veröffentlichten Fear Factory ihr Album „Obsolete“.

Diese Musik begleitet mich seit dem und bisher hatte ich es nie geschafft, sie mir auch mal live anzusehen. Bis Montag Abend. In Berlin. Drei Bands, ein Abend und mir tut immer noch so einiges weh. 😀

Dunderbeist spielten als erste und heizten die Bude schon mal ordentlich an. Sie waren irgendwie albern. Die Bühne wirkte für so viele Leute allerdings ein bisschen zu klein. Immerhin sechs oder sieben Leute. So genau kann ich das leider nicht sagen, weil ich zu der Zeit auf einer Stufe saß und nicht allzu viel vom Geschen auf der Bühne sehen konnte. Auf jeden Fall gute Musik, die live wunderbar funktioniert und genug Zeit zum Rumkaspern war auch.

Was danach kam, war erst Mal ein Angriff auf die Geschmacksnerven. Die Umbaupause vor dem Auftritt vom Devin Townsend Project. Es war wirklich interessant, was so alles vom ersten Act von der Bühne geschleppt wurde. Was da aber auf die Leinwand projeziert wurde (mit Ton), rief verschiedene Reaktionen hervor, von Gelächter über Getanze, bis hin zum „Mitsingen“. Alberne Videos, seltsames Musik und jeder Clipwechsel hatte eine Pupslautuntermalung. Albern.

Die perfekte Überleitung zu einem Konzert, das auch auf die Lachmuskeln zielte. Devin ist eine Ulknudel hoch zehn und hat dermaßen einen an der Ratsche, dass man einfach Spaß haben MUSS. Die Musik war klasse, seine Stimme auch und was die Animierung des Publikums betrifft, kann er sich durchaus mit Knorkators Stumpen messen (wobei ich schon meine, dass Stumpen aus dem Publikum mehr rausholen kann). Ich weiß jetzt, dass ich die totale Schwuchtel bin, auch wenn ich gar kein Armgewackel mitgemacht hab, aber er hat uns alle lieb (tat er zumindest immer wieder kund) und wollte uns zeigen, dass man den CSD auch stehend in einem Club und ohne Technogedöns veranstalten kann. 😀 Das war nicht als Beschimpfung gedacht und auch in keinster Weise negativ. Man stelle sich jetzt bitte ein überwiegend männliches Publikum vor, mindestens die Hälfte davon langhaarig, dominierende Kleiderfarbe schwarz. Er wollte uns aus der Reserve locken und das hat er bei den meisten geschafft.

Interessant war die Lahmarschgrenze, an der ich offensichtlich stand. Links von mir ging die Luzi ab und rechts von mir gab’s maximal ein bisschen Kopfgewackel. Ab und zu fiel jemand aus dem Pit in mich und meine direkten Nachbarn, aber das gehört halt dazu. Wobei der Pit hauptsächlich zu Fear Factory abging. Ich hab jede Menge äußerst schlechte Fotos gemacht, beim ersten Bild den Blitz angehabt (und leider zu spät gemerkt), der durch die Lichtshow zum Glück nicht so auffiel. Dafür ist das auch das einzige Bild, auf dem ein Mensch am Schlagzeug zu erkennen ist (übrigens ein hübscher Kerl). Bei den anderen Bildern sieht man da nur einen verschwommenen Fleck. 😉

Devin gab auch diverse Sprüche ab, wie auch die Behauptung, Burton C. Bell (Fear Factory) habe drei Eier. „He has three balls. That’s why he has the tri-balls on his arms.“ So in etwa lautete das Wortspiel. Gemeint waren seine Tribaltattoos auf den Unterarmen. Ich hatte bei diesem Auftritt sehr viel Vergnügen und bekomme seit dem „Lucky Animals“ nicht mehr aus dem Kopf. Der Typ, der da im Video so albern rumhampelt, ist Devin Townsend. Ihr könnt euch vielleicht in etwa vorstellen, was dieser Mensch auf der Bühne verantsaltet. Da allerdings in „passenderer“ Kleidung und mit Gitarre vor dem Leib geschnallt.

Und dann, nach einer weiteren Umbaupause, kamen endlich Fear Factory auf die Bühne. Und Burtons klarer Gesang klang sehr viel besser als erwartet. Ich sollte an dieser Stelle vielleicht erwähnen, dass er als „Kick-Ass-Screamer“ bekannt ist. Das geht nicht spurlos am Hals vorbei und an sich klang er schon nach dem ersten Lied bei den Ansagen heiser. Von zahlreichen Livemitschnitten weiß ich, dass sein Hals öfters mal dermaßen voller Schleim hängt, dass er kaum einen Ton trifft. Es hielt sich recht stark in Grenzen. Das Publikum sang auch kräftig mit. Sogar ich, obwohl ich eher schlecht aus mir rauskomme.

Ein bisschen erschrak ich ja tatsächlich, als Burton ein Lied aus dem neuen Album ankündigte und ich nur dachte „Recharger“ und er eine Sekunde später eben diesen Titel nannte. Beinahe hätte ich ihn rausgebrüllt. Ich hätte zwar gern noch ein paar Lieder mehr gehört, kann aber nicht sagen, dass irgendwas dabei war, das mir nicht gefallen hätte oder es insgesamt zu kurz war. Es war durch und durch ein wirklich gutes Konzert. Auch Burton ließ ordentlich Humor raushängen und bewegte sich auf der Bühne vor allem mehr, als ich es von neuen Livevideos her kenne. Er schien richtig gut drauf geswen zu sein.

Muss ich eigenltich noch erwähnen, dass ich hinterher scheußliche Nackenschmerzen hatte? 😉 Die Beine schrien ebenfalls vor Schmerz, aber das nimmt man freudig in Kauf. Schließlich verlässt man das Konzert gut gelaunt, glücklich, erheitert … äh … ja.

Nur einen wirklich großen Fehler hab ich hinterher gemacht. Ich wollte frische Luft. Wohl zu viel frische Luft. Das Konzert war gegen viertel eins vorbei und es dauerte bestimmt noch eine halbe Stunde, bis ich endlich meine Jacke hatte. Gelobt sei die BVG, denn die hat nachts eine Betriebspause, von der ich mir sicher war, dass die nicht vor zwei Uhr morgens beginnt. Falsch gedacht. Gegen viertel zwei (sicher bin ich mir bei der Uhrzeit nicht, aber auf jeden Fall noch sehr deutlich vor zwei) am nächsten U-Bahnhof war alles zu. Betriebspause, eben. Und sämtliche Nachtbusse fuhren mir auch vor der Nase weg. Mir blieb nichts anderes als zu laufen. Schön, wenn man den Weg nicht kennt und blind drauf los latscht.

Immerhin zwei Füchse hab ich gesehen. „Wilde“ Tiere in Berlin. Ich war irgendwann, ca. viertel vier, auf der Boxhagener Straße angelangt. Bin also im Prinzip von der Haltestelle „Platz der Luftbrücke“ bis „Ostkreuz“ gelaufen. Ihr könnt euch das ja mal auf einer Karte anschauen. Unterwegs (Haltestelle „Hermannstraße“)  half mir ein älterer Herr noch beim Finden des richtigen Weges. Er erzählte mir, es sei sein Siebzigster. Hab ihm noch schnell gratuliert und mich für die Hilfe bedankt. Ich wäre wirklich in die falsche Richtung weiter gelaufen. Glück gehabt. Vielleicht lag das auch an der Zweicentmünze, die ich im C-Club gefunden hab. Ein Glückscent. 🙂

Mir ist nichts passiert, außer dass mein Bewegungsaparat wenig begeistert war und sich auch im Bett immer wieder in den Vordergrund spielen musste.
Ach ja, ich hab den Tourbus gesehen. Leider war der eher nicht beleuchtet, sah also einfach nur dunkel aus und grooooß. Und ich hab ein Tourshirt gekauft. Das musste einfach sein. Da sind alle Tourdaten drauf. 🙂

 

Sonntag nach einigen Wochen (fiese Verkältung mit Husten, der nicht weggehen wollte und deshalb eine viel zu lange Pause gehabt) endlich wieder beim Sport gewesen, Muskelkater bekommen, Montag Konzert mit viel Rumgezappel und langer Fußmarsch, heute einen noch längeren Fußmarsch vom Ostkreuz bis zum Hauptbahnhof über irgendwelche Schleichwege. Mir tut alles weh und jede Bewegung fällt mir schwer. Aber ich hab noch so ein schönes Glücksgefühl in mir. 🙂

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